Achtzig Jahre und kein bißchen langsamer: Kurz vor dem runden Geburtstag hat der Senior-Master der Niedersachsenmeute Camill von Dungern noch die Jagdherrschaft bei Deutschlands traditionsreichster Jagd in Isernhagen übernommen und ist im springenden Feld vorne geritten, mit Vitticcio, den er sich als Fünfjährigen noch selbst zum Masterpferd ausgebildet hat – da war er 75.
1965 ist er Mitglied der Niedersachsenmeute geworden, seit 1977 ist er einer der Master, nach seinem Schwiegervater, dem Meutegründer Christian von Loesch und zunächst gemeinsam mit seinen Schwägerinnen Constanze Stahlberg und Cosima von Schultzendorff. Wohl 50 Jahre gehört er zum DRFV und war zuletzt stellvertretender Vorsitzender der Fachgruppe Jagdreiten, heute Deutsche Schleppjagdvereinigung, bevor er 2007 in deren Ehrenvorstand berufen worden ist. Sein Platz als persönlich haftender Gesellschafter in einem privaten Bankhaus in Wolfenbüttel ist inzwischen übergegangen auf seinen Sohn Cosimo.
Der Tageszettel ist immer noch voll. Das Reiten und ganz besonders die „rote“ Schleppjagd steht immer noch oben an, aber seit zehn Jahren ist auch die „grüne Jagd“ noch hinzugekommen als ihm seine Frau Camilla zum 70. Geburtstag einen Kurs zum Erwerb des Jagdscheins geschenkt hat. Nach der bestandenen Prüfung dürfte er zu den ältesten „Jungjägern“ Deutschlands gehört haben.
Ein böser Sturz im Rahmen des traditionellen Jugendlehrgangs der Meute – dort gehört er zur Stammbesetzung der Gruppenleiter - hat ihn im Juli 2019 für einige Monate außer Gefecht gesetzt, aber auf dem Pferd war er dann doch schnell wieder. Seine Krankengymnastin (vernünftige Frau!) fand, das sei für ihn die beste Therapie. Der Ausfall war der Auftakt für eine Umstellung. Jetzt leitet er zusammen mit der dritten Generation seit Meutegründung den mit mehr als 800 Mitgliedern größten Schleppjagdverein Deutschland, er als Senior vor den Neffen Dr. Maximilian Sponagel und Casimir und Leonard v. Schultzendorff und seinen Kindern Cosimo v. Dungern und Celestina Löbbecke, wobei Cosimo berufsbedingt gerade seine mastership ruhen lässt.
Viele Pferde hat er unter dem Sattel gehabt und ihr totales Vertrauen gewonnen. Sein aktuelles Masterpferd Vitticcio, ist das erstgezogene Fohlen aus seinem besten, der Stute Lambada (geboren 1996, von dem Angloaraber Lavauzelle, LG Celle). Die Kinder erinnern sich auch noch an den großen Fuchs, den Dreiviertelblüter Bally, den sie alle reiten durften als ihr Vater noch ein Pferd aus dem Meutestall in Dorfmark bekam und er für sie verzichtete, damit sie auch reiten konnten.
Damals gab es nur den ganz normalen Anhänger für zwei Pferde, sodass nur jeweils eines der sechs Kinder mitreiten konnte. „Das Geld war damals knapp. und mehr war nicht drin in den 90ern“, wissen sie heute noch. Für alle Pferde hat von Dungern auch immer ein passendes späteres Zuhause gefunden, denn es war auch nicht „drin“, einen Rentner auf der Wiese stehen zu haben.
Jagdtage bedeuteten damals immer „volles Programm“: zuerst von Göttingen, wo die Familie damals wohnte und der Jubilar kein eigenes Jagdpferd hatte, nach Dorfmark, ein Pferd des Schwiegervaters oder seiner Schwägerin Cosima aufladen, Hunde einpacken, zur Jagd fahren – vielleicht bis nach Neuhaus im Solling – dort reiten, dann mit dem Lkw Pferd und Hunde wieder zurückbringen nach Dorfmark und weiter nach Hause bis Göttingen oder später Elvesloh.
Master ist ein Fulltime-Job, und genauso volles Programm boten die Fahrten zur Bank und von dort wieder nach Hause – zumindest seit es Mobiltelefone gibt. Alle geschäftlichen Autofahrten waren Gesprächen mit Mitgliedern der Meute vorbehalten. Da wurde geplant, diskutiert – vieles geregelt und auch manche Kündigung einfach nicht angenommen.
Inzwischen hat er fast alle Jagdtermine abgegeben. Aber die Rehrhofjagd gemeinsam mit dem HSJV, „Ursulum“ in Isernhagen und Meitze hat er noch behalten, auch ein paar Schaunummern wie den Schützenumzug in Hannover oder auf der Rennbahn in Langenhagen auf der neuen Bult. Viele andere Jagden reitet er trotzdem und fast immer sieht man ihn zu Pferd mit seiner Frau Camilla. Die beiden sind das ganze Jahr über unterwegs, zu Pferd, bei Einladungen zu Drückjagden, Konzerten, im großen Freundeskreis, immer noch für Ehrenämter oder bei den vielen Geburtstagen der gesamten Großfamilie mit sechs Kindern. Das große Haus in Fuhrberg mit vielen Zimmern und mehrstöckigen Betten hat Platz für alle 32 Familienmitglieder und darüber hinaus auch noch für Freunde. Die beiden bieten allen Kindern nebst Familien die einzigartige Möglichkeit, auch mit Hunden und Pferden, Weihnachten oder Ostern zusammen zu kommen.
Alle sechs Kinder reiten immer noch, auch wenn nicht jeder aktuell beritten ist oder täglich Zeit dafür hat. Drei Schwiegerkinder sind aktive Reiter und von den 19 Enkeln - zwischen zwei und 29 Jahren - haben auch fast alle auf dem Pferd gesessen. Drei Enkel setzen die Familientradition bei der Schleppjagd fort, zwei weitere haben mit vier und sechs Jahren gerade ihre erste Jagd geritten. Und Camill und Camilla können sich daran erfreuen, dass ihre gelebte und geliebte Passion, ihr seit so vielen Jahren prägender Alltag in gleicher Weise und mit derselben Leidenschaft fortgeführt wird in der großen Familienschar.
Der runde Geburtstag heute, am 10. Dezember, aber wird nur zu zweit gefeiert und auswärts.
Text: Petra Schlemm und Bilder: Thomas Ix und Archiv Schleppjagd24
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